Der Mensch, und Physiker sind auch nur Menschen, kommt mit Ungewissheit nicht gut zurecht.
Er braucht immer eine Erklärung, egal wie unsinnig oder auch nicht. Hauptsache sie stellt uns zufrieden.
Meist stellen sich solche Erklärungen irgendwann als falsch heraus, obwohl wir so fest an sie geglaubt haben.
Moderne Kandidaten sind dunkle Materie und dunkle Energie.
Deswegen plädiere ich sehr für Vorsicht, was wir tatsächlich glauben zu wissen.
Wenn wir irgendwo auf Widersprüche stossen, dann erfinden wir immer eine Hypothese, um das mit unserem bereits gefestigten Weltbild in Übereinstimmung zu bringen.
Die Aussage, ein Experiment mit einem Ausgang, das der vorherrschenden Theorie widerspricht, und wir werfen unsere wissenschaftliiche Theorie über den Haufen ist naiv.
Stattdessen erfinden wir Hilfshypothesen, um die Theorie zu retten.
Das funktioniert eigentlich immer. In dieser Hinsicht ist der menschliche Geist ungeheuer kreativ .
Erst wenn jemand mit einer neuen Theorie kommt, in der alles bisherige Wissen passt und mit der sich auch die bisherigen "Widersprüche" besser erklären lassen setzt ein Umdenkungsprozess ein.
Typisch ist, dass die neue Theorie oft angefeindet wird, und oft muss die alte Generation, die sich ihr gefestigtes Wissen nicht einfach über den Haufen werfen lässt, aussterben und eine neue Generation von Physikern fängt an die neue Theorie zu akzeptieren.
Ein gutes Beispiel ist die Relativitätstheorie von Einstein.
Heute unangefochten, war die Theorie am Anfang heftigen Widerstand ausgesetzt, zum Teil auch als esotherisch betrachet ohne praktische Bedeutung.
Den Nobelpreis bekam Einstein bekanntlich nicht für seine Theorie, weil viel zu umstritten.
Einstein war in vielerlei Hinsicht populärer in der allgemeinen Bevölkerung als bei seinen Kollegen.
Ich glaube nicht, dass das heute so viel anders ist.
Ich glaube auch nicht daß es unumstössliche Wahrheiten gibt, die alles erklären.
Natürlich sind Theorien wie Allgemeine Relativitätstheorie und Quantenmechanik experimentell gut bestätigt.
Das war Newton und Maxwell auch.
Wir neigen dazu, solche Theorien zu extrapolieren und glauben das müsste unbegrenzt Gültigkeit haben. (Es sei denn die Mathematik selbst setzt Grenzen)
Was wir machen in der Wissenschaft ist eigentlich ganz einfach.
Wir forschen nach Muster und Regeln und suchen uns dann eine Mathematik, die diese Regeln und Muster beschreiben, und extrapolieren dann.
Wohlgemerkt ich sage eine Mathematik, weil es die Mathematik gar nicht gibt.
Mathematik ist in sich stimmig, aber die Regeln und Muster haben in der Realität ihres Grenzen.
Ein Beispiel: Es wird oft behauptet dass die Quantenmechanik, die Physik revolutioniert hat, in dem nur noch Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Events benannt werden können.
Stimmt, aber das Revolutionäre ist noch was anderes.
Die klassische Stochastik passt gar nicht auf die Quantenmechanik.
Die Stochastik wurde Anfang des letzten Jahrhunderts von einem russischen Mathematiker Kolmogorov axiomatisch gefasst nach Vorarbeiten eines schottischen Mathematikers Boole (berühmt für seine Boolsche Algebra), der Gleichungen und Ungleichungen aufstellte, die für Wahrscheinlichkeitsereignisse in einem Wahrscheinlichkeitsraum zutreffen müssen.
Er nannte diese Ungleichungen "Conditions of Possible Experience" und siehe da, dort taucht schon die Bellsche Ungleichung und andere aus der Quantenmechanik auf.
(Bell hat das nicht abgeschrieben sondern vermutlich war ihm das nicht bekannt.)
Booles "Conditions of possibel Experience" werden verletzt und ergo bilden die Experimente der Quantenphysik auch keinen klassischen Wahrscheinlichkeitsraum.
So gesehen kann man die Mathematik der Quantenmechanik, komplexer Hilbertraum mit seinem ineren Produkt, auch als eine neiue Wahrscheinlichkeitstheorie verstanden werden, die anderen Regeln folgt als die klassische Stochastik, Max Borns Regel hin oder her.
Aber dass das nun alles der Weisheit letzter Schluss ist glaube ich weder für die Quantenmechanik noch für die Relativitätstheorie.